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Den wahrscheinlich poetischsten Einfall für eine Phonographenanwendung zeichnet Rainer Maria Rilke "am Tage Mariae Himmelfahrt 1919" in Soglio auf. Die Idee, die Nadel des Phonographen über eine Spur zu lenken, "die nicht aus der graphischen Übersetzung eines Tones stammte, sondern ein an sich und natürlich Bestehendes (…) wäre" - wobei Rilke vor allem an die Kronen-Naht des Schädels denkt. In die Tat umgesetzt entstünde, was im selben Text als "Ur-Geräusch" bezeichnet wird: ein Ton, eine Ton-Folge, eine Musik als Resultat der Dekodierung einer Spur, die niemals kodiert wurde. Bereits Friedrich Kittler hat an Rilkes Text den hohen Grad an medialer Reflexion hervorgehoben, geht es in diesem doch um nichts weniger als um eine Erweiterung der Gebiete des sinnlich Wahrnehmbaren, zu der ausdrücklich weder die Dichtung noch die Wissenschaft in der Lage sind. Ist es das (digitale) Video?
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