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Obwohl auch Regionalzentren wie Frankfurt oder München eine Techno-Szene besaßen, war es Berlin mit seiner zerstörten Stadtmitte, in dessen Kellern rund um den Potsdamer Platz mit dem WMF-Club und dem Tresor zwei Ikonen der Techno- und Dancefloorkultur entstanden. Dass diese Keller Resultat des zweiten Weltkriegs und auch der späteren deutschen Teilung waren, erhöhte den wohligen Schauer, der schon im Camouflage- und Combat-Look der Raver eine Art oberflächliches Reflektieren des historischen, kriegerischen und politischen Erbe bezeugte. Gefunden wurde - so schien es - die perfekte Anti-Idylle. Anknüpfend an das Exil, das David Bowie, Iggy Pop oder Depeche Mode im Berlin der siebziger und frühen achtziger Jahre gefunden hatten, galt das Elend und die graue, bleierne Härte der nun wiedervereinigten Stadt als "inspirierend" und "zeitgemäß". Ob in Popsongs norwegischer Bands wie Briskeby oder den Romanen von Norman Ohler, überall tauchte Berlin, insbesondere der postmodernistisch aufgeräumte Osten der Stadt, als auratischer Ort auf. Die Antiidylle, so legte es zumindest der Zeitgeist in einer dialektischen Wendung fest, war die neue Idylle. Der Zeitgeist der späten neunziger Jahre und des neuen Jahrhunderts hatte seinen Ort gefunden.
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