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Auf den plötzlichen Wechsel aus der Kältezone der Sterne, der Nächte, aber auch der schwarz-weißen, kriminaltechnisch bearbeiteten Anderen Porträts, folgte der prickelnd bunte Höllensturz Nudes. Die Serie bezeugt ein freilich auf dem Kunstmarkt höchst erfolgreiches und auch im Haus der Kunst auffällig raumfüllendes künstlerisches Scheitern. Das liegt nicht am Motiv, am Rohstoff Pornografie. Es liegt an der Art, in der Ruff ihn vorgeblich zum Akt veredelt. Letztlich ist die Serie Nudes (seit 1999) nur deshalb interessant, weil Ruff im Netz auf das digitale Bild und dessen kleinstes Element, den Pixel, stößt. "Ich habe geschaut, wie sind die Pixel aufgebaut", berichtet er, "wie funktioniert das Hochrechnen und ich habe dabei festgestellt, wenn man die Pixel leicht shiftet und die Datei hochrechnet, bekommt das Bild eine schönere Struktur." Er musste dieses Spiel mit der Pixelverschiebung nur auf einen der Thumbnails anwenden, mit denen die Besucher der Lockseiten der Pornoindustrie zum Kauf angeregt werden sollen, und da "hatte ich meine erste Nude. Das war sehr verblüffend, weil das Bild einerseits sehr schön, anderseits aber auch ein bisschen nasty aussah." Doch Ruffs Versuche mit dem Pixel können nur als Fehlschlag bezeichnet werden. Nicht nur im Fall der Nudes, wo der Pixel die auf seltsamste Weise penetrierten Sexarbeiterinnen zu schnuckligen, sexy Puppen in unerhörten Posen weichzeichnet. Auch bei der Serie jpeg (seit 2004) ist der erste Gedanke, ob das wohl die Prüfung in Fragen Kitsch und Fotografie sei. Die "schöne Struktur", die Ruff über eine höhere Komprimierungsrate und eine geringe Anzahl von Pixeln bei der Vergrößerung des Gesamtbildes erhält, ist ebenso aufdringlich und überdeutlich wie das Motiv der einstürzenden Neubauten, sei es aufgrund von Erdbeben und Tsunamis oder den Anschlägen des 11. Septembers in New York.
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