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Parallel zu diesen Überzeugungen des Bundesrates wurde zunehmend die ungeschriebene Kulturkompetenz des Bundes hinterfragt. Nicht die Kompetenz wurde bestritten, sondern eingewendet, die Annahme einer stillschweigenden oder gewohnheitsrechtlichen Kompetenz vertrage sich nicht mit der lückenlosen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen (Artikel 3 aBV). Der Kulturförderungsartikel zielte darauf, für die kulturellen Tätigkeiten des Bundes die unübersichtlichen, unzusammenhängenden und teilweise auch inhaltlich unbefriedigenden verfassungsrechtlichen Grundlagen zu klären und eine ebenso ausdrückliche wie umfassende Kompetenznorm für die bundesstaatliche Kulturförderung zu schaffen. Inhaltlich nahm die Botschaft zum Kulturförderungsartikel von 1991 Forderungen der Botschaft von 1984 wieder auf. Explizit wollte der Bundesrat die Bereiche der bisher nur punktuell betreuten, weil verfassungsrechtlich nicht abgedeckten Bereiche Musik, Tanz, Theater und Literatur fördern und dazu auch die zuständigen Verwaltungsstellen im Bundesamt für Kultur sowie beratende Kommissionen ins Leben rufen. Zudem wollte er die Kulturwahrung und die Veranstaltungsförderung systematisch koordinieren und ein nationales Informationszentrum errichten. Die Ausbildung der Kunstschaffenden sollte nicht - wie im Clottu-Bericht vorgeschlagen - über nationale Schulen, sondern durch Unterstützung kantonaler und regionaler Angebote gefördert werden. Weitere Postulate betrafen den Aufbau eines minimalen Netzes zur sozialen Absicherung der Kunstschaffenden, die steuerliche Entlastung privater Kulturförderer und die Reorganisation der elektronischen Medien. Im Bereich der kulturellen Aussenpolitik legte die Botschaft den Schwerpunkt auf den Austausch und auf die Aufnahme von Kontakten zwischen den Kunstschaffenden im In- und Ausland. Nach den Vorstellungen des Bundesrates sollte nicht ein einziges Rahmengesetz den Kulturförderungsartikel umsetzen, sondern punktuelle Gesetzgebungserlasse und -revisionen. Zur Überraschung vieler scheiterte der Kulturförderungsartikel bei der Abstimmung 1994 trotz rund 51 Prozent Ja-Stimmen am verfehlten Ständemehr.
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