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Kanontafeln in mehreren Evangeliaren, die im 2. Viertel des 9. Jh. in Lorsch hergestellt wurden und den Ausgangspunkt für die Erforschung des Jüngeren Lorscher Stils bildeten, lassen in ihrer Gestaltung der Rahmen die Vorlage erkennen, auch wenn keine an die Pracht des „Lorscher Evangeliars” (Alba Iulia, Bibl. Batthyáneum, Ms R II 1, pagg. 13-24) heranreicht. Das nach seinem Empfänger, dem 826-838 amtierenden Wormser Bischof, benannte „Folcwich-Evangeliar” (Los Angeles, J.P. Getty Museum, Ms. Ludwig II 1, foll. 4r-9v) übernimmt im Inneren der Rundbogenarkadenrahmungen u.a. das leiterförmige Raster zur Einteilung der Evangelienstellen in Fünfergruppen. Diese Anordnung findet sich in dem nach seinem späteren Aufbewahrungsort betitelten „Seligenstädter Evangeliar” (Darmstadt, ULB, Hs. 1957, foll. 10r-15v) in den ersten drei Kanontafeln, allerdings nur ansatzweise und ist vermutlich nachgetragen. Analogien zum „Folcwich-Evangeliar” sind in der Anlage der wulstartigen Basen wie auch in der Gestaltung der Säulenoberflächen festzustellen, die ihnen einen Anschein von Plastizität geben. In den oberen Abschnitten der Kanontafeln zeigt sich ein ungewöhnlicher, untektonischer Aufbau, der direkt aus dem „Lorscher Evangeliar” abgeleitet werden kann: Auf die Rundbögen der unteren Säulen wurde eine zweite, kleinere Säulenreihe aufgesetzt, die den rechteckigen Rahmen für die Titel der einzelnen Kanontafeln tragen. Im „Lorscher Evangeliar” sind die Rundbögen auf kleinen Säulen – bestehend aus Basis, kurzem Schaft und Kapitell – postiert, die auf die Kapitelle der unteren Säulen platziert wurden, um figürlichen und vegetabilen Schmuck als Halterung für die Titelfelder der einzelnen Kanontafeln zu tragen. In einem Evangeliar, das sich später im Besitz des Bamberger Doms befand (Bamberg, SB, Msc. Bibl. 93, foll. 7r-10v), sind die acht erhaltenen Kanontafeln lediglich mit einem schlichten Liniengerüst ausgeführt. Die antikisierenden Titelfelder in Form von Tabulae ansatae weisen dennoch auf die Vorlage, das „Lorscher Evangeliar” (Alba Iulia, Bibl. Batthyáneum, Ms R II 1, pag. 13-15, 18-19).
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